Seite vielen Generationen wurde immer wieder über diesen historischen Vorfall berichtet. 1971 drehte Volker Schlöndorff über die damaligen Ereignisse den Film (Der plötzliche Reichtum der armen Leute von Kombach) und der Kombacher Kurt Grebe schrieb ein Drehbuch zu einem Theaterstück (Kobächer Postraub), dass im Jahr 2005 uraufgeführt wurde.
Dennoch sollte man nicht vergessen, dass die Tat von Menschen die um ihr tägliches Überleben kämpfen mussten, aus schierer Not heraus begangen wurde. Wir wollen versuchen den geschichtlichen Hintergrund aufzuzeigen, die wirtschaftliche Situation in den Dörfern zu hinterfragen und was die Teilnehmer des Postraubs letztendlich zu dieser Tat antrieb und wie sie bis auf einen doch alle scheiterten.
Wir schreiben das Jahr 1800. Revolutionen, soziale Verwerfungen und Flüchtlingsströme sind Merkmale dieser Epoche Anfang des 19. Jahrhunderts. Europa befindet sich in politisch unruhigen Zeiten und großen territorialen Verschiebungen, die auch die gesellschaftlich festgefügten Strukturen bei uns im sogenannten „Hinterland“ tiefgreifend beeinflussten.
Nach diesen gewaltigen Umwälzungen (z.B. Französische Revolution 1789), kriegerischen Auseinandersetzungen der Napoleonischen Zeit (auch Franzosenzeit genannt) und der Neuordnung Europas beim „Wiener Kongress“ von 1815 sehnten sich die Menschen nach Ruhe und Stabilität. Aber es kommt anders: Europa erlebt ab 1816 ungewöhnliche Wetterphänomene. 1817, 1819 und 1821 sind drei Missernten zu beklagen. Das Getreide wird wegen der andauernden Nässe nicht reif. Ein weiteres, wichtiges Grundnahrungsmittel, die Kartoffel, verfaulte in der Erde und somit beginnen Hungersnöte längst vergessenen Ausmaßes. In Erinnerung bleiben diese Jahre als "arme Zeit".
Warum sich die Wetterverhältnisse auf einmal derart veränderten, blieb für die Menschen der damaligen Zeit ein absolutes Rätsel. Erst im 20. Jahrhundert fanden Wissenschaftler für dieses Phänomen eine Erklärung. Die Ursache dazu lag auf der anderen Seite der Erdkugel im indopazifischen Raum. Dort brach im April 1815, auf der heute zu Indonesien gehörenden Insel Sumbawa, der Vulkan Tambora aus. Es war eine der größten Vulkanexplosionen der letzten 2000 Jahre, weitaus dramatischer noch als der Ausbruch des Vesuv in Italien im Jahr 79 n. Chr. Infolge dieser gewaltigen Eruption gelangten riesige Mengen an Schwefelgasen in die Atmosphäre, die als Aerosolwolken um den Erdball zogen und das Sonnenlicht absorbierten. Die Folge war ein so dramatischer und schlagartiger Klimawandel, wie ihn die Menschen in Europa nie zuvor erlebt hatten. Ein Chronist dieser Zeit beschreibt die damalige Wetter-Situation wie folgt: „Dunkle Gewitterwolken, die innerhalb von wenigen Augenblicken den letzte Funken Licht am Himmel verschwinden lassen, sintflutartige Regenfälle mit Eisregen prasseln auf einen hoffnungslos durchgeweichten Erdboden herab. Gewaltige Blitze zerschneiden den Himmel wie glitzernde Speere und machen das verhängnisvolle Naturspektakel vollkommen“. Erst nach und nach normalisierte sich das Wetter und somit auch die Temperaturen in den folgenden Jahren in Europa wieder.
Dazu kamen noch die sozialen Verwerfungen nach auszehrenden Kriegen und Verluste des Nebenerwerbs (z.B. in der Textilverarbeitung), auf den die Menschen in dieser Zeit angewiesen waren. So waren z.B. britische Tuchwaren, die zum Teil bereits maschinell hergestellt wurden, nach Aufhebung der napoleonischen Kontinentalsperre und den sich dadurch wieder öffnenden europäischen Markt billiger, als die in Handarbeit gefertigten Waren der Hinterländer Tuchweber und überschwemmten auch den deutschen Markt. Damit ging diese Nebenerwerbsquelle verloren. Viele Familien sahen nur einen Ausweg. Sie wanderten in ferne Länder aus, um sich eine bessere Lebensperspektive zu erarbeiten.
Unter diesen Aspekten sollte man sich mit der Not der Menschen in unserer Heimatgemeinde Kombach befassen. Die Ausführenden der Tat lassen sich von ihrer sozialen Herkunft, ihrer Vorgehensweise und Organisationsform her nicht den damals umherziehenden "Vagabunden-Banden" oder "Bauernbanditen" zuordnen. Es war eine Tat aus sozialer Not heraus.
Natürlich konnte die Obrigkeit diese Vergehen nicht ungestraft lassen. Aber es stellt sich aus heutiger Sicht doch die Frage:
Inwiefern war diese Bestrafung der Tat angemessen? Ohne die Frage von Recht und Gerechtigkeit relativieren zu wollen, scheint hier ein typischer und greifbarer Fall für die Machtdemonstration des Staates, für Herrschaftssicherung mittels des Strafrechts, für die soziale Disziplinierung der Unterschichten durch die im wörtlichen Sinn gnaden-lose Anwendung der Justizeinrichtungen vorzuliegen.
So schrieb der damalige Kriminalsekretär Carl Franz bei der Aufzeichnung der Handlung: „Sie waren sich kaum der Schwere ihrer Verbrechen bewusst“.
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